Der Natur zuliebe

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Bio? Logisch! Denn mit dem Kauf von biologisch erzeugten Nahrungsmitteln trägt man dazu bei Ressourcen zu wahren, die Umwelt zu schonen und Tiere artgerecht zu halten. Bio-Produkte sind in erster Linie gesund für unser Selbstverständnis.

Dieser Text erschien im Jahr 2013 in Österreich.

Nahezu täglich erscheinen Studien über neue Erkenntnisse zu biologischen Lebensmitteln. Wie viele Kriterien müssen erfüllt sein, damit ein Lebensmittel in die Kategorie „Bio“ fällt, welche Richtlinien sind gefordert, um eine einheitliche Kennzeichnung zu garantieren und wie kann sich der Verbraucher informieren, um auch wirklich am Ende ein Bio-Produkt auf dem Teller zu haben, sind die am häufigste gestellten Fragen. Ein wichtiger Aspekt ist dabei auch, ob Biolebensmittel nahrhafter und gesünder als herkömmliche Produkte sind.

US-Forscher an der Stanford University in Kalifornien haben deshalb in den letzten Jahren alle bisher veröffentlichten Daten zum Thema Gesundheit von biologisch erzeugten Nahrungsmitteln durchgesehen. Tausende Studien wurden dafür herangezogen, Hauptaugenmerk lag auf den Punkten Nährstoffgehalt, Pilze und Pestizide. Das verblüffende Ergebnis, das 2012 veröffentlicht wurde: Es gibt derzeit keinen Nachweis dafür, dass biologische Nahrungsmittel nährstoffreicher sind oder ein geringeres Gesundheitsrisiko bergen. Das bestätigt auch Diplom-Ökotrophologin Antja Gahl von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung: „Biolebensmittel sind nicht prinzipiell gesünder als konventionelle Lebensmittel. Es gibt aber vereinzelte Aspekte, bei denen Biolebensmittel besser abschneiden, wie zum Beispiel im Hinblick auf die Pestizidrückstände. Hier sind Obst und Gemüse aus biologischem Anbau weniger bis gar nicht belastet“, so die Ernährungswissenschaftlerin. „In Punkto Nährwerten gibt es vereinzelt jedoch höhere Gehalte bei Vitamin C oder an sekundären Pflanzenstoffen, während es bei Milch und Fleisch eine günstigere Fettsäurenzusammensetzung ist. Da es bisher jedoch noch keine Langzeitstudien zu dem Thema gibt, ist nicht eindeutig belegt, dass Bioprodukte im Nährwertgehalt besser abschneiden als konventionelle Lebensmittel.“

Der größte Pluspunkt aus gesundheitlicher Sicht für Bio-Essen ist also, dass man weniger Pflanzenschutzmittel, bzw. Antibiotika, das etwa in der herkömmlichen Schweinezucht und Hühnerzucht verwendet wird, zu sich nimmt. Pestizide sind nachweisbar krebserregend und wissenschaftliche Beweise liegen vor, die auch dem häufig zum Einsatz kommenden RoundUp©-Wirkstoff Glyphosat eine für Mensch und Tier bedenkliche Wirkung aufweisen (siehe multikosmos 00012, Seite 6-8). Für herkömmliche Lebensmittel gibt es Beschränkungen an Pestiziden, die laut Bundesministerium für Risikobewertung (BfR) auch die erlaubten Höchstwerte nicht übersteigen. Da Obst- und Gemüsebauern, die nicht ökologisch anbauen, jedoch eine Vielzahl unterschiedlicher Pestizide nutzen – und die zulässsigen Grenzwerte gelten immer nur für je ein Pestizid – werden die Höchstwerte in der Gesamtheit meist doch um einiges überschritten.

Worin sich alle Biofachverbände einig sind, ist, dass die Gesundheitsaspekte bei den meisten Menschen nicht den Hauptgrund für den Kauf von Bioprodukten ausmachen, bzw. ausmachen sollten. Bio-Produkte kauft man in erster Linie wegen der Verantwortung gegenüber der Umwelt und Landwirtschaft. „Die Gesundheit ist nicht unser Hauptkampffeld”, erklärte Gerald Wehde, Sprecher des Anbauverbands Bioland in Deutschland, in einer Stellungnahme zu der Studie aus Amerika. Kernziel der Ökolandwirtschaft sei es vielmehr, die Umwelt zu erhalten. „Gewässerschutz, Klimaschutz, Artenschutz, Bodenqualität – da erbringen wir eine große ökologische Leistung.“

„Ich kaufe keine Bio-Produkte aus gesundheitlichen Aspekten“, sagt auch Florian Holzer, „sondern weil ich damit einen Beitrag zum ökologischen Gleichgewicht leiste.“ Der Gastrokritiker arbeitet als freischaffender Autor für österreichische als auch internationale Publikationen und ist stellvertretender Chefredakteur des Gault Millau Österreich. „Durch den Kauf von Bioprodukten kann man die Landwirtschaft nachhaltig beeinflussen“, erklärt der Autor des Buches „Eat Slow“, der seit 25 Jahren über neue Lokalitäten und Foodtrends in der Wiener Wochenzeitung Falter schreibt. „Kaufen ist eine politische Entscheidung. Bio bedeutet, es werden weniger Spritzmittel verwendet, Tiere werden artengerechter gehalten und die Transportwege sind kürzer.“ Ob man die Biolebensmittel im Supermarkt kaufe oder im Bioladen, sei jedem selbst überlassen, so Holzer. „Ich selbst gehe nicht im Supermarkt einkaufen. Vor allem weil mir der direkte Kontakt zu den Produzenten fehlt.“

Zwischen 2006 und 2010 legte der Bioanteil im Frischesegment des Lebensmitteleinzelhandels um mehr als die Hälfte zu. Das größte Stück des Bio-Kuchens mit über 90 Prozent Umsatz sichern sich in Österreich als auch in Deutschland derzeit jedoch die großen Supermarktkonzerne wie etwa Rewe, Spar und Aldi, bzw. Hofer. Nur etwa 8 bis 10 Prozent davon fließt in die Kassen von Bio-Läden und Reformhäusern. Und auch wenn man aufgrund dessen davon ausgehen kann, dass die Kunden immer kritischer werden, sind auch sie nicht davor gefeit, dass in Bio nicht immer Bio ist.
Was wirklich hinter den Bio-Handelsmarken der großen Konzerne steckt, das hat der österreichische Agrarbiologe Clemens G. Arvay in seinem Buch „Der große Bioschmäh“ näher beleuchtet. Seine Recherchen brachten ihm erschreckende Einsichten. Die Bioidee ansich sei nicht das schlechte, so der Autor, sondern die Macht der Großkonzerne. Der biologische Massenmarkt unterscheide sich nämlich kaum von dem Markt für herkömmliche Lebensmittel. Bio-Bauernhöfe, glückliche Kühe, die in idyllischen Landschaften grasen gäbe es nur in der Werbung. Die Realität hingegen sähe anders aus. Arvays Ausflüge für sein Buch führten ihn zu sterilen Tierfabriken, Fabrikhallen, in denen vorwiegend Arbeiter aus Osteuropa oder Afrika Fließbänder bedienten und industrialisierter Landwirtschaft mit großflächigen Monokulturen. „Bei einer Ausbeute von 14.000 Bioeiern pro Tag bei einem Hühner-Landwirt ist klar, dass das nichts mehr mit Bio zu tun hat“, so Arvay in seinem Buch.

Seit 2009 gelten EU-weite Regeln für die Produktion, Kontrolle und Kennzeichnung von biologischen Erzeugnissen, die mit dem dazugehörigen Bio-EU-Logo versehen werden. Dieses schränkt etwa den Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln ein und verbietet die Verwendung von Mineraldünger sowie gentechnisch veränderten Organismen. Doch auch das 2010 eingeführte Bio-Siegel der EU schafft es nicht, die Ansprüche, die man mit Bio in Verbindung bringen möchte, in die Realität umzusetzen. Zwar sind laut EU-Öko-Verordnung für verarbeitete Bio-Produkte wesentlich weniger Zusatzstoffe erlaubt als für konventionelle, nämlich nur etwa 50 im Vergleich zu rund 320. Doch auch Produkte mit dem Bio-Siegel können problematische Substanzen enthalten, heißt es auf der deutschen Website von Foodwatch. Der Verein wurde 2002 vom ehemaligen Greenpeace-Geschäftsführer Thilo Bode gegründet und setzt sich mit den Rechten von Verbrauchern und der Qualität von Lebensmitteln auseinander. Erlaubt ist beispielsweise Carrageen, das im Tierversuch zu Geschwüren und Veränderungen im Immunsystem führte. Bei Fleischprodukten mit dem Bio-Siegel wird zudem das umstrittene Nitritpökelsalz eingesetzt. Zudem dürfen etwa unter dem EU-Biozeichen auch Limonaden verkauft werden, die keinen Tropfen Fruchtsaft enthalten und auch Bio-Tomaten aus spanischen Gewächshäusern, für die man mehr Wasser verbraucht als etwa in einem heimischen Gewächshaus.

„Eine Möglichkeit, sich den Großkonzerne zu entziehen ist natürlich, dass man seine Produkte nurmehr vom Biobauern direkt bezieht“, sagt Florian Holzer. Denn Bio sei vor allem eine Frage der Handwerklichkeit und Regionalität. Je mehr Handgriffe, je kleiner die Strukturen und je kürzer die Wege, desto höher ist die Wertigkeit des biologischen Produktes“, so Holzer.
Echte Bioqualität findet man etwa bei dem im niederösterreichischen Marchfeld ansässigen Biobetrieb Adamah. Hier hat man sich auf alte Gemüsesorten spezialisiert. Zudem hat Adamah das Konzept der „Biokisten“, die man sich auch nach Hause liefern kann, entwickelt und man organisiert mehrere Bauernmärkte in der Stadt. Dann natürlich die in der Foodie-Szene bekannten Sonnenschweine vo La Bonca aus der Südoststeiermark. Konsumenten können bei La Bonca für einen bestimmten Geldbetrag direkt in Wurst investieren. Und auch beim Ziegenbauer Robert Paget in Grafenegg, der mit seinem Handwerk des Ziegencamentbert internationale Preise abräumt, führt jeder Handgriff zum biologischen Ergebnis.

„Letztlich ist das aber natürlich eine sehr romantische Vorstellung und aus logistischen als auch zeitlichen Gründen oft nicht bewältigbar jeden einzelnen Hersteller direkt zu besuchen“, so Holzer. „Dennoch. Will man verantwortlich handeln erfordert es ein Umdenken und auch ein Umstellen im Alltag. Schafft man es nicht einzig im Bioladen einzukaufen oder am Bauernmarkt, sollte man wenigstens auf gute Bio-Zertifizierungen achten.“
Denn neben dem EU-Logo gibt es auch nationale wie das deutsche Biosiegel oder Bio Austria, regionale oder auch private Bio-Siegel etwa von Anbauverbänden wie Bioland oder Demeter, die strenge bis sehr strenge Richtlinien verfolgen. Diese finden sich dann ebenso ausgezeichnet auf den Produkten. Auf letztere, Demeter, können sich anspruchsvolle Verbraucher getrost verlassen. Der Öko-Pionier Demeter nimmt seit 80 Jahren die Qualitätsführerschaft im Bio-Bereich für sich ein. Das geschützte Markenzeichen findet man in Deutschland und Österreich, es steht für eine Ideologie an rein biologisch-erzeugten Produkten. Bei der Herstellung der Bioprodukte sind nur 13 absolut notwendige Zusatzstoffe in der Verarbeitung erlaubt, künstliche Aromen sind komplett verboten. Mindestens 80 Prozent der Futterration für Wiederkäuer müssen Demeter-Qualität haben und bei Getreide sind weder Hybride noch Sorten aus Zellfusionstechnik zugelassen, um nur zwei Punkte der langen Kriterienliste zu nennen. Das Demeter-Spektrum erfasst mehr als 3.500 Lebensmittel sowie Kosmetika und Modeartikel, welche vorwiegend in Bioläden und Reformhäusern verkauft werden.

Das positive am allgemeinen Biotrend ist, dass ihn mittlerweile auch kleine Gruppen und Partnerschaften von lokalen Produzenten und Konsumenten aufgreifen. So etwa wie die Vereinigung Ochsenherz, die sich am Modell der „community supported agriculture“ (CSA), eine Bewegung die seit Ende der 1980er in den USA und in Japan Anhänger findet, orientiert. Idee der CSA ist es eine Form der Landwirtschaft zu entwickeln, in der Produzenten und Konsumenten gemeinsam landwirtschaften. Das bedeutet ein Kreis von Konsumenten geht mit Ochsenherz eine Vereinbarung ein, dass sie ein Jahr, bzw. eine Saison von dem Betrieb mit Gemüse versorgt werden. Diese Gruppe von Personen finanziert die Kosten des Gemüseanbaus für diesen Zeitraum und erhält dafür erntefrische, biologische Nahrungsmittel, trägt aber auch das Risiko eines Ernteausfalls mit. Das Demeter-Mitglied Ochsenherz versorgt derzeit etwa 200 Menschen mit Gemüse.
Eine weitere Lebensmittelkooperative in Österreich ist Food Coops. Hierbei haben sich Personen und Haushalte zusammengeschlossen, um selbstorganisiert biologische Produkte direkt von lokalen Bauernhöfen, Gärtnereien oder auch Imkereien zu beziehen. Ganz neu ist auch die Idee der so genannten Selbsterntfelder, die gerade im urbanen Raum immer mehr Anhänger findet. Dabei entsteht ebenso eine Partnerschaft zwischen Bio-Bauer und Konsument. Der Biobauer erledigt die Bodenbearbeitung auf der gepachteten Zelle, der Konsument bestimmt, wann und was geerntet wird.

„Der Konsument hat mit Biolebensmittel-Kooperativen und solidarischen Landwirtschaftsprojekten Alternativen. Die muss er nützen, um sich und die Bauern aus der Abhängigkeit der Konzerne zu befreien“, erklärt Clemens G. Arvay in seinem Buch „Der große Bioschmäh“. Und Essenexperte Florian Holzer ergänzt: „Bio ist eine Frage des Vertrauens. Durch die letzten Lebensmittelskandale ist dies bei den Verbrauchern erschüttert worden. Darin kann sich aber nun auch eine Chance auftun, wenn die Konsumenten lernen umzudenken. Nicht nur wegen der Gesundheit, im Idealfall auch der Natur zuliebe.“