Mojib Latif: Klimawandel

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Die Frage, ob sich das Klima ändert, ist in Fachkreisen schon lange beantwortet und dass sich die rasante Erwärmung der letzten hundert Jahre nur mit dem menschlichen Einfluss erklären lässt, steht für viele Klimaforscher fest. Einer der wichtigsten Vertreter dieser Aussage ist Mojib Latif. Im Interview spricht er über die Auswirkungen des Klimawandels bei uns und in der Welt und darüber, wie die Erderwärmung noch aufhalten können.

Das INTERVIEW: Land unter? stammt aus dem Jahre 2014 – ist vielleicht aber heute aktueller denn je.

Yvonne Schröder: Herr Professor Latif, in Mali breitet sich die Sahara immer mehr aus weil es kaum noch regnet und in Europa  gibt es Sintflutartige Regenfälle. Ist das ein Wetterphänomen oder sind das bereits die Folgen des Klimawandels?

Mojib Latif: Das sind bereits die Folgen des Klimawandels und auf lange Sicht gesehen werden sich diese Gegensätze noch verstärken. Es ist ungerecht und es wird sicher noch einige Jahrzehnte dauern aber durch den Klimawandel werden trockene Gebiete noch trockener und in bereits regnerischen wird es noch mehr regnen.

In einem Interview mit der Zeit online haben Sie gesagt, dass man den Klimawandel „sehen“ kann. Wie meinen Sie das – sehen?

Mojib Latif: Dazu müssten Sie mit mir kurz einmal die Erde verlassen. Wir bewegen uns in den Weltraum und sehen uns die Satellitenaufnahmen der Erde aus den letzten 20 bis 30 Jahren an. Darauf sieht man deutlich, wie sich das Eis zurückgezogen hat und auch, dass der Meeresspiegel angestiegen ist. Und dank der Infrarotaufnahmen, die mit den Satelliten möglich sind, kann man die sich ausbreitenden und sich verstärkenden Rotverfärbungen erkennen, welche die angestiegene Temperatur deutlich machen. Das meinte ich, als ich sagte, man kann den Klimawandel buchstäblich sehen.

Immer, wenn es zu Katastrophen kommt, so wie in Österreich und Deutschland im Juni, glauben die Menschen wieder an die Studien des Weltklimarats IPCC zur Erderwärmung. Doch sobald die größten Schäden beseitigt sind und wir längere Zeit keinen Regen haben, wird daran gezweifelt. Warum, glauben Sie, dass die Menschen den Klimawandel so stark verdrängen?

Mojib Latif: Das liegt vor allem daran, dass solche Katastrophen nach wie vor seltene Ereignisse sind. Die Zeitabstände dazwischen sind zwar erheblich kürzer geworden –früher gab es eine Jahrhundertflut dem Namen nach nur alle hundert Jahre, heute ereignen sich große Überschwemmungen bereits alle zehn Jahre – was letztlich aber immer noch eine sehr lange Zeitspanne ist. Auch, wenn die Menschen das Ereignis nicht vergessen, die Problematik tritt nach einiger Zeit, auch aufgrund von ganz normalen Alltagsproblemen, in den Hintergrund.

Werden unsere Kinder in 50 Jahren noch richtige Sommer erleben?

Mojib Latif: Die Sommer hier bei uns in Mitteleuropa werden extremer werden. Das heißt, sie werden sich in beide Richtungen verstärken, der Trend dazu ist schon seit einigen Jahren zu spüren. Es wird kurze Perioden geben, die heiß und trocken sind, die dann wiederum später von starken Niderschlägen abgelöst werden.

Skeptiker des Klimawandels behaupten, dass der Mensch alleine die Erderwärmung gar nicht verursachen würde, bzw. nutzen das Argument, es hätte schon immer Klimaveränderungen gegeben und behaupten, dass es sich nur um ein natürliches Phänomen handele. Was erwidern Sie darauf?

Mojib Latif: Da werden ganz unterschiedliche Zeiten und die Ergebnisse vieler zigtausender Jahre vermengt. 5 Grad Erderwärmung in 20.000 Jahren sind normal, 1 Grad in hundert Jahren ist nicht normal. Diese Temperaturzunahme ist einzig durch die Miteinbeziehung des menschlichen Einflusses auf die Umwelt erklärbar. Als hauptverantwortlich gelten vor allem die vom Menschen emittierten Treibhausgase zu denen auch das Kohlendioxid (CO2) gehört. In den letzten 900 Jahren war der CO2 Gehalt recht konstant, erst in den letzten hundert Jahren ist dieses rasant angestiegen. Die erhöhte Geschwindigkeit mit der diese Werte ansteigen ist nicht zu leugnen. Und dabei darf man nicht vergessen: Wir stehen erst am Anfang.

Können wir den Klimawandel überhaupt noch stoppen – und falls ja, wie?

Mojib Latif: Ja, nur um den Klimawandel zu stoppen müssen wir die Ursache akzeptieren und dann auch beseitigen. In erster Linie muss der CO2 Ausstoß gestoppt werden. Dieser entsteht zu 90 Prozent durch die Verbrennung der fossilen Brennstoffe Erdgas, Öl und Kohle. Wir sollten unsere Ernergiegewinnung auf erneuerbare Energien umstellen, und das am besten so schnell wie möglich bis zum Jahr 2050. Die Verlierer dieser Erkenntnis versuchen derzeit natürlich alles, um gegen diese lösungsorientierte Strategie anzugehen und beeinflussen die Politik. Letztlich ist es eine Frage der Vernunft, den Klimawandel zu stoppen. Ich bin aber nach wie vor hoffnungsvoll, dass uns das gelingen wird.

Welche Länder werden besonders stark von der Erderwärmung betroffen sein?

Mojib Latif: Vor allem jene Länder, die am wenigsten für den Klimawandel können. Bangladesch etwa, dort ist man schon jetzt vom Anstieg des Meeressspiegels betroffen. Aber auch die pazifischen Inselstaaten, die gegen das ansteigende Wasser kämpfen sowie Indien und die tropischen Gebiete, in denen es vermehrt Monsoonartige Niederschläge gibt. 

Laut einer Studie der Forscherin Franziska Piontek vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung gibt es auch positive Effekte des Klimawandels, wie etwa, dass man in Skandinavien nun durch mehr Sonne auch ertragreicher landwirtschaften kann – sehen Sie das genauso?

Mojib Latif: Nein. Ich denke, das ist zu kurzfristig gedacht. Wir leben in einer globalisierten Welt, da ist es nicht unwichtig was woanders passiert. Wir sind alle miteinander verbunden, leben gemeinsam auf dieser Welt – daher werden uns alle auch die negativen Auswirkungen des Klimawandels betreffen. Das US-Pentagon hat vor einigen Jahren eine Studie herausgegeben, das die Auswirkung meines Erachtens gut beschreibt. Vereinfacht zusammengefasst steht darin: Der ungebremste Klimawandel ist eine größere Sicherheitsbedrohung für die westliche Welt als der internationale Terrorismus. Der Klimawandel hat letztlich nur negative Auswirkungen und die können wir nur gemeinsam lösen.

Mögen Sie eigentlich den Regen?

Mojib Latif: Ja, sehr. Ich fahre viel Fahrrad und ab und zu hat es auch etwas erfrischendes, wenn es regnet. Man muss den Regen auch als etwas Positives betrachten, es ist auch gutes Wetter, wenn es regnet.

Kann man das Wetter eigentlich auf kurze Zeit voraussagen? Und wenn ja, sind Sie immer darüber informiert, welches Wetter kommt?

Mojib Latif: Das Wetter kann man nicht vorhersagen. Eine Woche maximal im Voraus lässt es sich bestimmen, alles andere sind Mutmaßungen. Ich nehme es wie es kommt, verändern kann ich oder können wir es sowieso nicht. Zumindest kurzfristig nicht. Nur langfristig. Und damit sollten wir sofort beginnen.

Fakten zu Mojib Latif:
Zur Person: Prof. Dr. Mojib Latif ist Leiter des Forschungsbereiches Ozeanzirkulation und Klimadynamik bei Geomar
Geb. am: 29.09.1954 in Hamburg
Promotion: 1987 in Ozeanographie, Universität Hamburg
Arbeit: Wissenschaftliche Mitarbeit und später Privatdozent am Max Plack Institut Hamburg (bis 2002), seit 2003 Professor am Institut für Meereskunde in Kiel, seit 2012 Professor am Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel (GEOMAR)
Gastforscher in den USA an den Instituten in La Jolle, Kalifornien und Florida, Miami sowie in Melbourne, Australien. Seit 2002 Ehrenmitglied der Amerikanischen Meteorologischen Gesellschaft.

Bücher (u.a.): Globale Erwärmung, Warum der Eisbär einen Kühlschrank braucht, Climate Change – The Poit of No Return, Klimawandel und Klimadynamik, Herausforderung Klimawandel, Bringen wir das Klima aus dem Takt?